Arbeitsgemeinschaft Ur- und Frühgeschichte
AG-Leiter: Dr. Sönke Hartz, Stexwigfeld 5a, 24857 Borgwedel, Tel.: 04354 1342, E-Mail: soenke.hartz66@gmail.com
Im Berichtszeitraum 2023/24 hat die Arbeitsgemeinschaft Ur- und Frühgeschichte vier Vortragsveranstaltungen zur Ur- und Frühgeschichte Schleswig-Holsteins und eine Exkursion zu einer archäologischen Ausgrabung nach Kappeln-Kopperby durchgeführt. Die Vorträge fanden im Bürgersaal des Gemeindehauses Sörup statt, der seit 2021 von der Gemeinde Sörup unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Die ca. einstündigen Fachvorträge wurden durchschnittlich von 10–12 Teilnehmern besucht und beschäftigten sich mit Forschungsthemen von der Steinzeit bis zur Eisenzeit, mit den Arbeiten der archäologischen Denkmalpflege sowie mit der Geologie Grönlands und Schleswig-Holsteins.
Die Exkursion führte die Mitglieder der AG Ur- und Frühgeschichte zur Ausgrabungsstätte in Kappeln-Kopperby. Dort wurde vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) in Schleswig eine mehrmonatige archäologische Hauptuntersuchung auf einer Siedlung aus der römischen Kaiserzeit durchgeführt. Die Mitglieder hatten exklusiv Gelegenheit, die Befunde aus der Nähe anzuschauen und einer fachkundlichen Führung durch die Ausgrabungsleiterin V. Klems beizuwohnen.
Die vier Vorträge zu archäologischen Forschungsprojekten und aktuellen Ergebnissen von archäologischen Geländeuntersuchungen wurden von Prof. Dr. W. Kirleis aus Kiel, M. Briel M.A. aus Bad Segeberg, Dr. A. Grube aus Hamburg und R. Klooss aus Schleswig gehalten.
Seit 2016 ist am Institut für Ur- und Frühgeschichte in Kiel unter der Leitung von Prof. Dr. W. Kirleis und Prof. Dr. J. Müller unter dem Titel „TransformationsDimensionen“ ein großes interdisziplinäres DFG-Forschungsprojekt angesiedelt, das Mensch-Umwelt Wechselwirkungen in vor- und frühgeschichtlichen Gesellschaften von späteiszeitlichen Wildbeutergruppen bis in die Zeit früher Staatenbildungen untersucht.
In der Veranstaltung am 24. November 2023 referierte die Kieler Professorin für Umweltarchäologie und Archäobotanik, Wibke Kirleis, zum Thema „Ackerbau im Wandel:
Von den Anfängen bis zur jüngeren Bronzezeit“. Welchen Stellenwert haben Pflanzen in der archäologischen Forschung, wie hat die Landwirtschaft in früheren Zeiten funktioniert und welche Rolle spielen pflanzliche Ressourcen bei der Ernährung ur- und frühgeschichtlicher Gesellschaften des Nordens? Im Projekt „TransformationsDimensionen“ werden von Frau Kirleis und ihrem Forschungsteam u.a. diese Fragestellungen aus Zeitscheiben der vergangenen 15.000 Jahre analysiert. Dafür wertet sie sog. Ökofakte, also Pflanzenreste von Ausgrabungen und aus Bohrkernen aus, darunter verkohltes Getreide (Abb. 1) aus der großen jungsteinzeitlichen Siedlung von Oldenburg/Dannau LA 77, wo um 3100 v.Chr. vermutlich bis zu 40 Häuser gestanden haben. Frau Kirleis berichtete, dass die Abfallbeseitigung schon in der Jungsteinzeit zentral organisiert war. So wurden neben den Uferarealen von Gewässern auch aufgegebene Brunnen zur Entsorgung genutzt.
Hinsichtlich der Nahrungszubereitung erbrachte die Analyse von an den Gefäßwänden anhaftenden Speiseresten u.a. den Nachweis von Getreidebrei, der zur Geschmacksverbesserung mit den Samen des Weißen Gänsefuß angereichert wurde. Auch die Druschreste von der Inselsiedlung Brodersby/Schönhagen LA 107 zeigen in der älteren der beiden dort nachgewiesenen Siedlungsphasen im Zeitraum 2950–2740 v.Chr. die Bedeutung von Getreide bei den damaligen Ackerbauern.
Neben Großresten spielen auch die winzigen Pflanzenpollen eine wichtige Rolle bei der Erforschung der jungsteinzeitlichen Lebens- und Umweltverhältnisse. So konnte festgestellt werden, dass zur Zeit der Ertebøllejäger und -fischer um 4500 v.Chr. das heutige Schleswig-Holstein unter einer geschlossene Walddecke verborgen lag. Diese wurde erst kurz nach 4000 v. Chr. von frühen Bauerngruppen aufgelichtet, nachdem es zwischen 4050 und 4000 v.Chr. noch siedlungsfeindliche Spätfröste gegeben hatte, wie es Klimasignale in den feinlaminierten Sedimenten des Poggensees bei Bad Oldesloe ergeben hatten. Getreidefunde aus Siedlungsgruben und organogenen Feuchtsedimenten belegen ab 4000 v. Chr. vier im Norden seinerzeit heimischen Getreidearten: Einkorn, Emmer, Gerste und Nacktweizen (Abb. 2). Die Signale der frühen Landwirtschaft zeigen sich auch in den Anteilen von Mikroholzkohlen (Brandrodung) z.B. in den Sedimentkernen aus dem Belauer See bei Bornhöved oder den Pollen vom Spitzwegerich als Brachenanzeiger und Getreideunkraut. Kurze Zeit später um 3300 v. Chr. verändert dann die Erfindung des Hakenpflugs die Landwirtschaft grundlegend, nachgewiesen an Pflugspuren unter den Großsteingräbern von Flintbek oder den pathologischen Veränderungen an den Rinderknochen, die als Zugtiere eingesetzt wurden.
Nach den frühen Getreidearten von Emmer und Gerste kommen erst in der nordischen Dolchzeit (Spätneolithikum) um 2200 v. Chr. neue Getreidearten wie Dinkel und Saatweizen hinzu, die dann auch in der Bronzezeit eine wichtige Basis der Ernährung darstellen.
Das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein hat neben seinem Hauptsitz in Schleswig seit vielen Jahren eine Außenstelle eingerichtet, die derzeit in Bad Segeberg untergebracht ist. Von dort aus werden mit Ausnahme von Lübeck die Kreise südlich des Nordostseekanals, der Kreis Rendsburg-Eckernförde und die Stadt Kiel betreut. Am 26. Januar 2024 informierte die Archäologin und Gebietsdezernentin der Außenstelle, Mirjam Briel M.A., über ihre und die Arbeiten ihrer Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig und Bad Segeberg. Frau Briel ist innerhalb des Referats 4 (Praktische Archäologie) für die Kreise Rendsburg-Eckernförde, Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg und die Stadt Kiel zuständig. Unter dem Titel „Aktuelles aus der Landesarchäologie – große und kleine Sensationen aus Schleswig-Holsteins Vergangenheit im Kontext von Energiewende und Bauleitplanung“ gab sie in ihrem Vortrag einen Überblick über die archäologischen Vor- und Hauptuntersuchungen sowie andere Maßnahmen des ALSH aus den letzten zwei Jahren und stellte einen Ausblick auf kommende Projekte vor. Weit mehr als 100 archäologische Maßnahmen führte das Referat 4 in 2023 durch, darunter so große Unternehmungen wie die Vor- und Hauptuntersuchungen in Lohe-Rickelshof (Kr. Dithmarschen) auf dem zukünftigen Fabrikgelände der schwedischen Firma Northvolt. Schon die Dimensionen sind imposant: Es handelt sich um die bis dato größte zusammenhängende Flächengrabung, die jemals in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde (Abb. 3).
Die bisherigen Ergebnisse umspannen lückenlos einen Zeitraum vom Neolithikum bis in die Völkerwanderungszeit und können in Bezug auf Erhaltungsbedingungen, Siedlungsstrukturen und Fundmaterial als sensationell bezeichnet werden.
Weitere interessante Befunde sind ein Grab aus der frühen Jungsteinzeit um 3500 v. Chr. in Brebel am Rande der kaiserzeitlichen Siedlung LA 49. Es zeigt eine besondere Bauweise in Form einer aufwendigen Holzkonstruktion (Abb. 4) und wird in Südskandinavien unter dem Begriff „Konens Høj“ geführt. Diese Art der Grablegung kann als Vorgänger der nordischen Großsteingräber bezeichnet werden, von denen in Nord- und Nordwesteuropa innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne von 400 Jahren (3600–3200 v. Chr.) mehr als 30.000 Bauwerke errichtet wurden.
Siedlungsreste der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit aus dem Zeitraum zwischen ca.100 und 600 n. Chr. in Form von Hausgrundrissen, Gruben und Feuerstellen wurden im Vorfeld von Baumaßnahmen nicht nur in Brebel, sondern auch in Ladelund, Gremersdorf, Meimersdorf, Ostorf und Flintbek ausgegraben. Die Beispiele machen deutlich, wie stark sich in den letzten Jahren durch große Flächengrabungen der Kenntnisstand zu den nachchristlichen Siedlungen in Schleswig-Holstein erweitert und gewandelt hat.
Aus der Bronzezeit und vorrömischen Eisenzeit stellte M. Briel Befundstrukturen von den Neubaugebieten in Meimersdorf und Flintbek bei Kiel und von der Fundstelle Blekendorf LA 199 vor. In Blekendorf wurden auf einer Fläche von knapp einem Hektar mehr als 300 Befunde angetroffen, darunter ein Kochsteingrubenfeld aus der Zeit um 1000 v. Chr. sowie Pfostengruben, Einzelgruben und Grubenkomplexe, ein Ofen, ein Graben unbekannter Funktion und mehrere Zisternen aus der Zeit zwischen 500–100 v.Chr.
Das Hauptaugenmerk des Vortrags lag allerdings auf den Ausgrabungen in Lohe-Rickelshof. Mehr als 10.000 Befunde wurden dort seit März 2023 erfasst und konnten aufgrund der Fülle nur teilweise untersucht werden. Mit einem Team aus knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden auf einer Fläche von 80.000 m² ca. 260 Gebäudereste wie Langhäuser, Grubenhäuser, Wirtschaftsgebäude und Speicherbauten festgestellt (Abb. 5). Dazu kommen gut ein Dutzend Brand- und Körpergräber von der späten Jungsteinzeit bis zur Völkerwanderungszeit. Das reichhaltige Spektrum an Befunden umfasst außerdem jungsteinzeitliche Flintschlagplätze, auf denen Klingenkernsteine und Beilklingen hergestellt wurden, außerdem zahlreiche Öfen, Brunnenanlagen und Grabenstrukturen unterschiedlicher Funktion sowie Gefäßdeponierungen (Opferplätze?) und Laufhorizonte mit Pflug- und Erdspuren aus der Stein- und Bronzezeit.
Der Geologe Dr. A. Grube, Mitarbeiter der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) in Hamburg, war am 6. April 2024 zu Gast bei der AG Ur- und Frühgeschichte in Sörup. In seinem Vortrag „Geologie und Landschaften Grönlands – ein Vergleich mit der eiszeitlichen Entwicklungsgeschichte Schleswig-Holsteins“ zog er Parallelen von geologischen Prozessen und eiszeitlichen Landschaftsformen in Schleswig-Holstein zu solchen in Grönland, die er auf seinen Reisen auf die größte Insel der Welt beobachtet und dokumentiert hatte. Grönland ist mit seinen 2,2 Millionen km² sechsmal so groß wie die Bundesrepublik, allerdings sind nur 20 % davon an den Küstenstreifen zugänglich, der Rest ist von bis zu 3,4 km mächtigem Eis bedeckt. Mit ca. 3,8 Milliarden Jahren finden sich auf Grönland auch die ältesten Gesteine der Erdgeschichte, darunter schön gebänderte Gneise (Abb. 6), die vom Eis spiegelblank abgehobelt wurden. Die seit einiger Zeit durchgeführten Bohrungen im Inlandeis haben die Klimageschichte der vergangenen gut 200.000 Jahre aufgeschlossen, und die zum Teil laminierten Bohrkerne sind ein Klimaarchiv der besonderen Art, die über die Warm- und Kaltphasen seit der letzten Warmzeit vor gut 120.000 Jahren dezidiert Auskunft geben. Dabei zeigte sich auch, dass sich auf Grönland deutlich mehr Klimaschwankungen nachweisen lassen als im heutigen Mitteleuropa.
In seinem reich bebilderten Vortrag wechselte A. Grube zwischen geologischen Erscheinungen auf Grönland und in Schleswig-Holstein hin und her und erklärte Begriffe wie End- und Randmoränen, Eisstausee, Drumlin, Os, Schmelzwasserstrom, Periglazial und Tunneltal anhand eindrucksvoller Fotos aus seinem persönlichen Bildarchiv. Seine Fotos wurden durch Grafiken und Skizzen ergänzt, die die Entstehung zahlreicher geologischer Phänomene veranschaulichten und die den Zuhörern vermitteln konnten, wo und wie die Gletscher der vorletzten und letzten Eiszeit die schleswig-holsteinische Landschaft in den letzten 150.000 Jahren geschaffen und verändert haben. Viele der Oberflächenstrukturen aus den letzten beiden Eiszeiten sind in Schleswig-Holstein nur mit geübtem Auge zu erkennen, weil die Landoberfläche in den vergangenen 12.000 Jahren durch Erosion und später durch die moderne Landwirtschaft und Bodenentnahmen stark nivelliert worden ist. Geologen benutzen deshalb die digitalen Geländemodelle (Lidar-Karten), um diese geologischen Phänomene aufzuspüren. So konnten sie beispielsweise im Travetal bei Bad Oldesloe, im Süden Fehmarns oder bei Wandelwitz in Ostholstein die Überreste von Drumlins nachweisen, bei denen es sich um längliche, meist buckelförmige Hügel von bis zu mehreren hundert Metern Länge handelt. Sie bestehen aus aufgepresstem Material der Grundmoräne und aus Schottern und entstehen, wenn ältere Moränen und Sedimente beim erneuten Vorrücken des Gletschers überfahren werden. Für die unter dem Eis in den Schmelzwasserkanälen entstandenen Oser oder Wallberge ist das Os nördlich von Süderbrarup im Tal der Oxbek ein sehr anschauliches Beispiel (Abb. 7). Oser entstehen bei nachlassender Fließgeschwindigkeit der Gletscher als langgetreckte Kies- und Geröllaufschüttungen. Sie haben eine dammähnliche Form und erreichen Längen bis zu 150 Meter und Höhen bis zu 30 Meter. Es kommt vor, dass sie sich perlenschnurartig kilometerweit durch die Landschaft ziehen.
Alle diese Geotope gilt es für die Nachwelt zu erhalten, damit auch die nächsten Generationen erfahren können, wie ihre Heimat einst entstanden ist. Ein anschauliches Beispiel, dass ein Gletschervorstoß während der letzten Eiszeit aus Nordwesten über das heutige Ostseebecken das schleswig-holsteinische Festland erreichte, stellte der Referent von der Insel Fehmarn vor. Auf großen Findlingen lässt sich über die Ausrichtung der Gletscherschlifffacetten zweifelsfrei erkennen, aus welcher Himmelsrichtung dieser Eisvorstoß erfolgte.
Ausführlich ging A. Grube auch auf die Entstehung von subglazialen Tunneltälern ein, die unter Gletschern entstehen, wenn schnell fließendes Schmelzwasser tiefe Rinnen in den weichen Untergrund älterer eiszeitlicher Ablagerungen gräbt. Eines der bekanntesten Beispiele stammt aus der Gegend von Ahrensburg und ist deutschlandweit die wichtigste Quelle zur Erforschung der späteizeitlichen Rentierjäger der Hamburger und Ahrensburger Kultur. Zu den periglazialen Phänomenen, also solchen, die außerhalb des eigentlichen Vereisungsgebietes stattfinden, gehören z.B. die Frostkeile und Pingos. Letztere sind eine besondere geologische Formation, die auf Grönland und in Nordkanada beobachtet werden können. Bei den Pingos handelt sich um kleine, meist kreisrunde Hügel mit einem zentralen Eiskern, die dort z.T. singulär in der Landschaft stehen und durch Volumenveränderungen beim Gefrieren und Auftrauen entstanden sind. Bislang gelang es in Schleswig-Holstein nicht, diese auffällige Hügelbildung sicher nachzuweisen und der Referent richtete deshalb die Bitte an die Zuhörerschaft, ihm mögliche Erscheinungen z.B. aus Angeln zu melden.
Am 26. Mai 2024 berichtete der wissenschaftliche Mitarbeiter und Diplomarchäologe am Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) in Schleswig, Ringo Kloos, über seine Ausgrabungen des zerstörten Großsteingrabes von Goosefeld und dessen Wiedererrichtung in unmittelbarer Umgebung. Bereits vier Gräber waren dort seit langem bekannt, die unbekannte fünfte Grabanlage wurde dann im Vorfeld der Errichtung eines interkommunalen Gewerbegebietes entdeckt. Auf der betroffenen Fläche fand Ende 2020 eine Voruntersuchung durch das ALSH statt. Im Zuge der Hauptuntersuchung und Freilegung der Grabkammer und deren Umfeld kamen 2023 insgesamt 13 Findlinge zutage, deren ursprüngliche Positionen sich anhand ihrer Steinstandspuren und der teilweise erhaltenen Lehmummantelung ermitteln ließen (Abb. 8).
Die Steine wurden bei der Zerstörung lediglich in die Kammer gekippt oder nach außen vergraben, um die Fläche landwirtschaftlich nutzen zu können. Die Vollständigkeit des Grabes ist außergewöhnlich, denn meistens wurden die Kammersteine zerschlagen oder gesprengt, um sie als Baumaterial zu benutzen. In einem hochinteressanten Beitrag aus dem Jahre 1767 unter dem Titel „Oeconomisch-practische Anweisung der Einfriedigung der Ländereien, nebst einem Anhang von der Art und Weise, wie die Feldsteine können gesprenget und gespalten werden“ wurde dieses Verfahren bereits ausführlich von Nicolaus Qest beschrieben.
Großsteingräber waren zumeist überhügelt und besaßen zwischen den Kammersteinen ein Trockenmauerwerk aus Zwickelplatten sowie außen eine Lehmummantelung, allerdings ist davon durch die fortwährende Beackerung des Bodens ebenso wenig erhalten geblieben wie von der Hügelumfassung. Was gefunden wurde und was ein untrügliches Zeichen für den ehemaligen Standort eines Großsteingrabes ist, waren Überreste des Bodenbelags aus schneeweiß gebranntem Feuerstein. Spuren dieses Feuersteins werden immer dort hochgepflügt, wo ehemals eine megalithische Grabanlage gestanden hat. Grabbeigaben sind in Goosefeld eher selten. Die Kammer wurde wahrscheinlich schon in der Steinzeit ausgeräumt, um sie erneut als Bestattungsplatz zu nutzen. Es gibt einige Stücke Keramik, ein Schleifsteinfragment und ein Flintbeil aus einer Nachbestattung der Einzelgrabkultur.
Bei der Grabkammer handelte es sich um ein polygonales bis leicht ovales Ganggrab mit einem Innendurchmesser von 2,50 bis 2,90 Meter, bestehend aus neun Trägersteinen sowie einem von ehemals drei Decksteinen. Die Kammer ist etwa ost-westlich ausgerichtet und leicht in den Boden eingetieft worden, zwischen Gang und Kammer befand sich ein Schwellenstein.
Da die Grabanlage, obgleich nahezu vollständig erhalten, dem Bau des Gewerbegebietes weichen musste, wurde im Anschluss an die Geländearbeiten beschlossen, es an anderer Stelle wieder zu errichten. Als geeigneter Platz für den Wiederaufbau bot sich das Umfeld eines anderen Megalithgrabes (LA 35) an, das vor einigen Jahren nahe der Ausgrabung wieder errichtet worden war. Die Kammersteine wurden dafür auf einem Feld zwischengelagert, und im Dezember 2023 konnte das Vorhaben dann in die Tat umgesetzt und das Megalithgrab in Sichtweite des ursprünglichen Standortes aufgestellt werden (Abb. 9).
Am 26.7.24 waren die Mitglieder der AG Ur- und Frühgeschichte auf der archäologischen Ausgrabung in Kappeln-Kopperby zu Gast (Abb. 10).
Die Grabungsleiterin V. Klems empfing die 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Rande der 16 Hektar großen Ausgrabungsfläche, die nach einer Voruntersuchung im Sommer 2023 nun im Rahmen einer mehrjährigen Hauptuntersuchung ausgegraben wird. Zusammen mit ihren fünf Mitarbeitern werden insgesamt drei größere Teilflächen untersucht, wobei zunächst der Oberboden von einem Bagger abgetragen wird und die dunklen Befunde dann im hellen, lehmigen Sand zutage treten. Alle knapp 2000 Befunde werden vermessen und geschnitten und die Profile gezeichnet, fotografiert und beschrieben. Im Untergrund konnten Pfostengruben von Langhäusern, Einzelgruben, Materialentnahmegruben, Gräben, zaunparallele Anlagen und verfüllte Senken beobachtet werden. Aus den Pfostensetzungen lassen sich zahlreiche Hausgrundrisse rekonstruieren (Abb. 11), die sich teilweise überlagern und damit verschiedene Bauphasen markieren.
Es handelt sich um sog. Wohnstallhäuser mit einem Wohnbereich im Westen und dem Viehstall im Osten. Die ehemaligen Feuerstellen in den Häusern sind anhand von verziegeltem Lehm und Holzkohleanreicherungen erkennbar.
Aus den Pfostengruben und anderen Befunden werden Bodenproben für Radiokarbondatierungen und zur Bestimmung archäobotanischer Reste entnommen. Archäologische Funde sind selten, dazu gehören einige Tonscherben und Tierknochen. Zusammen mit den charakteristischen Hausgrundrissen ist davon auszugehen, dass die Siedlung in Kappeln-Kopperby in der römischen Kaiserzeit bestand, also etwa in die Zeit zwischen Christi Geburt und dem 4. Jhdt. n. Chr. zu datieren ist.
Sönke Hartz
(Leiter AG Ur- und Frühgeschichte)